L49 Steinweg, Isabella
 26.03.1884 - 17.12.1928

Hier ruht
meine liebe Frau
und gute Mutter
Isabella Steinweg
geb. Eppstein
geb. 26.3.1884 gest. 17.12.1928

 

aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster  ²2001

S. 438
STEINWEG
Isabella geb. Eppstein
26.3.1884 Mandel/Kreuznach - 17.12.1928 MS
E: Moses Eppstein (verstorben Oberhausen/Pfalz) u. Amalie geb. Rauner
Tochter eines Lehrers. Sie erhielt eine Ausbildung zur Krankenschwester und war im 1. WK im Lazarett tätig. Bei ihrer Heirat wohnte sie in Breslau und zog danach nach MS zur Wolbecker Str. 132. Da die Ehe kinderlos war, adoptierte das Paar Ernst (Isaak), der in Königsberg geboren war. Isabella St. verstarb plötzlich nach kurzer Krankheit mit 44 Jahren und fand ihr Grab auf dem jüd. Friedhof in MS.

S. 437-439
STEINWEG
Adolf    
8.1.1886 Wickede - ca. September 1944 KZ Riga
E: Benjamin Steinweg (13.2.1859 Wickede - 30.3.1940 MS) u. Dora geb. Levi (28.5.1858 Darfeld - 5.10.1929 MS)
G: Henriette ∞ Grüneberg (28.11.1881 Wickede - 6.1. 1935 MS); Helene ∞ Cussel (14.12.1882 Wickede - 31.3.1930 Essen); Sally (19.10.1884 Wickede - 1.5.1944 KZ Riga-Kaiserwald); Wilhelm (22.4.1887 Wickede - Ghetto/KZ Riga); Louis (9.9.1889 MS - Ghetto/KZ Riga); Emma ∞ Cussel (21.4.1891 MS - Durchgangslager Izbica); Betty ∞ Markus (3.5.1893 MS - 21.11.1934 MS); Julius (?) (5.9.1898 - 9.2.1921 MS)
Handelsmann, Wagenlackierer (1918), Anstreicher. Kam als Vierjähriger 1890 von Wickede nach MS. 1913 machte er sich mit einer Althandlung an der Wolbecker Str. 66 selbständig, die er 1923 zur Antoniusstr. 5 verlegte. Im 1. WK war er Pionier der Reserve. Da seine Ehe kinderlos blieb, adoptierte er den Sohn Ernst (Isaak). Seit 1925 bis zur Zwangsabmeldung im Juni 1938 war er als Maler und Anstreicher tätig und führte damit eine Familientradition fort. 1933 war er in MS der einzige jüd. Anstreicher unter 217 nichtjüdischen. Als einziger jüd. Handwerker war er 1936 noch in einer städt. Liste von Betrieben verzeichnet, die öffentliche Aufträge erhielten. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau 1928 heiratete er 1931 die aus Osterwick gebürtige Frieda Steinmann und wohnte Sonnenstr. 76 bzw. 51/53, für drei Monate auch Graelstr. 11 (12.4.1939 - 13.7.1939) und Jüdefelderstr. 14 (1939). Am 13.7. 1939 wurde seine Familie aufgrund der Zwangszusammenlegung ins "Judenhaus" Meppener Str. 27 eingewiesen. Dort wohnte sie im Eigentum der Arztwitwe Hedwig Rosenberg, zusammen mit den Familien Ludwig Kaufmann, David Perlstein und Dr. Alfred Steinberg (1941). Adolf St. wurde mit seinem Sohn zur Zwangsarbeit im Hoch- und Tiefbau verpflichtet. Sein Einkommen betrug lt. seinem Schreiben an das Finanzamt vom 9.1.1940 2.600 RM im Steuerjahr 1939, dazu hatte er ein Sparkassenguthaben von 250 RM. Von der Devisenstelle wurde unter diesen Umständen am 24.4.1940 von einer "Sicherungsanordung" abgesehen, da das Einkommen monatlich 300 RM nicht überstieg. Die beabsichtigte Ausreise nach Paraguay, für die eine Bewilligung vorlag, gelang nicht mehr, doch hielt er bis zur Deportation an der Hoffnung fest. Im Jahre 1941 mußte er an Jom Kippur, dem höchsten jüd. Feiertag, sein Radio ersatzlos abliefern. Alle noch vorhandenen Wertgegenstände (z.B. Uhr und Ring) mußten am Tag vor der Deportation widerspruchslos übergeben werden. Er wurde am 13.12.1941 nach Riga deportiert. Bei einer Erschießungsaktion kam er kurz vor der Einnahme Rigas durch russische Truppen im September 1944 ums Leben.

∞ 18.9.1918 MS
EHEFRAU (1. Ehe)
Isabella geb. Eppstein
... [siehe Textzitat oben] ...

∞ 9.12.1931 MS
EHEFRAU (2. Ehe)
Frieda geb. Steinmann
22.5.1900 Osterwick - 7.1.1945 KZ Stutthof
E: Samuel Steinmann, Viehhändler, (14.9.1867 Schöppingen - 20.12.1935 Osterwick) u. Julie geb. Lion (4.1. 1870 Osterwick - 9.3.1943 Ghetto Theresienstadt)
G: Zwillingsschwester; Julius (verstorben 1971 Mülheim/R., ev.); Martha, emigrierte von Gleiwitz nach Chile; Selma; Willi (* 21.12.1909 Osterwick, lebte 1950 in Paraguay); Otto (25.3.1913 Osterwick - 23.3.1945 KZ Sachsenhausen, Außenlager Senftenberg)
Drittes von sieben Kindern. Sie hatte eine Zwillingsschwester, die im Alter von etwa zwei Jahren von einer kinderlos verheirateten Schwester des Vaters großgezogen wurde. Nach ihrer Eheschließung am 26.3.1932 in MS wohnte sie mit ihrem Ehemann Sonnenstr. 51/53. Mit der erfolgten Zwangseinweisung in ein "Judenhaus" lebte die Familie seit dem 13.7.1939 in der Meppener Str. 27, wohin auch ihre Mutter Julie Steinmann aus Osterwick eingewiesen worden war. Am 13.12.1941 wurde sie mit ihrem Ehemann und dem Stiefsohn "zum Arbeitseinsatz" nach Riga deportiert, während ihre Mutter später mit dem Altentransport in das Ghetto Theresienstadt verbracht wurde. Frieda St. gelangte bei der "Evakuierung" des KZ Riga vor den anrückenden russischen Truppen am 1.10.1944 auf einem Frachtkahn über die Ostsee ins KZ Stutthof bei Danzig. Sie trug die Häftlings-Nr. 95.476. Vermutlich erlag sie am 7.1.1945 dort der Flecktyphusepidemie, die Ende Dezember 1944 ausbrach und viele der völlig entkräfteten jüd. Häftlinge dahinraffte. Die stereotype Todesmeldung vom 7.1.1945 lautete auf "Herz- und allgem. Körperschwäche". Am 14.12.1953 wurde sie vom Amtsgericht MS für tot erklärt.

KIND    
Ernst (Isaak)
28.4.1922 Königsberg - 19.3.1990 Australien
Staatenlos (1941). Schüler der jüd. Volksschule und Mitglied im "Bund Deutsch-Jüdischer Jugend" (1934). Er erlernte das Maler- und Anstreicherhandwerk von seinem Vater und wohnte von Juli 1939 bis zur Deportation am 13.12.1941 bei seinen Eltern, u.a. im "Judenhaus" Meppener Str. 27. Aus für ihn undurchsichtigen Gründen wurde er mit seiner Großmutter einmal in Emmerich in Haft genommen, aber gegen Zahlung einer Geldsumme in beträchtlicher Höhe wieder freigelassen. Wie sein Vater wurde er zur Arbeit im Hoch- und Tiefbau zwangsverpflichtet. Als ihm eines Tages sein Fahrrad, notwendiges Fortbewegungsmittel, von der Arbeitsstelle gestohlen wurde, beschaffte sein Arbeitgeber Ersatz. Ernst St. wurde am 13.12.1941 nach Riga deportiert. In einem Brief an Rabbiner Dr. Fritz L. Steinthal vom 24.8.1945 beschrieb er die Ankunft nach drei Tagen Bahnfahrt. Innerhalb von zwei Stunden mußten alle 1.000 Deportierten bei Androhung der Erschießung eine Bleibe gefunden haben. Er wohnte mit Rechtsanwalt Ludwig Kaufmann und Familie Ludwig Miltenberg zusammen im Ghetto. Die Ernährungslage im Ghetto beschrieb er mit den Worten: "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel". Über die Verhängung von Todesstrafen im Ghetto berichtete er: "Es war so viel, daß wir uns merken mußten, was wir durften". Er kam mit 200 weiteren Juden im September 1944 über Libau/Lettland nach Hamburg ins Gefängnis/Zivilarbeitslager Fuhlsbüttel (Außenlager des KZ Neuengamme), von dort ins Arbeitserziehungslager Kiel, wo er die Befreiung erlebte. Dann wurde er zur Genesung nach Schweden gebracht und heiratete dort im August 1945 die tschechische Jüdin Edith, die die gleichen Lager wie er überlebt hatte. Eine Emigration nach Paraguay zu seinem Onkel Willi Steinmann gelang nicht. 1950 konnte er mit seiner Familie Europa hinter sich lassen und ein neues Leben in Australien beginnen. Das Geld für die Schiffsreise hatte eine jüd. Hilfsorganisation vorgestreckt. Er arbeitete als Maler, seine Ehefrau als Näherin. Mit Hilfe der Geschicklichkeit seiner Frau bauten sie seit 1959 eine eigene Kleider- und Blusenfabrikation auf. Er verstarb mit 67 Jahren in Australien, drei Jahre nach seiner Frau und hinterließ zwei Kinder.

 


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