L65 | Mildenberg, Erich | 29.09.1893 - 20.04.1971 |
Hier ruht
Erich Mildenberg
geb. 29. Sept. 1893
gest. 20. April 1971
Wir gedenken
Deiner in Liebe
aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001
S. 304
MILDENBERG
Erich
29.9.1893 MS - 20.4.1971 Köln
Kaufmann, Viehhändler, Landwirt. Als Folge eines Gasangriffs im 1. WK verlor er ein Auge. Er erlernte den Vieh- und Pferdehandel. Bis 1927 hatte er ein Geschäft in Lohne/Oldenburg. Der Tod von Mutter und Bruder 1927 veranlaßten ihn (als Mitinhaber), bis 1938 in die väterliche Vieh- und Pferdehandlung "Jakob Mildenberg & Sohn" zurückzukehren. Zunächst wegen der Einwände seines Vaters und später wegen Erlaß der "Nürnberger Gesetze" kam eine Heirat mit seiner nichtjüd. Freundin Marianne nicht zustande. Diese versorgte noch 1941/42 heimlich Juden in der Marks-Haindorf-Stiftung mit Lebensmitteln. Erich M. emigrierte am 2.12.1938 über Hamburg nach Argentinien. Als Viehhändler in einer landwirtschaftlichen Siedlung in Moises Village/Prov. Santa Fe versuchte er eine Existenz aufzubauen. Heiratete am 19.1.1942 in Buenos Aires Frieda Cohen geb. Lebenstein (* 1909 Issum), deren Ehemann kurz nach der Ankunft in Buenos Aires verstorben war. Sie trug zum Lebensunterhalt durch Näharbeiten bei. Der Umzug nach Buenos Aires erfolgte um 1947. Durch finanzielle Entschädigung im Rahmen der "Wiedergutmachung" wurde der Kauf eines Kurzwarengeschäftes möglich. 1952/53 und 1957/58 hielt er sich jeweils für mehrere Monate in MS auf. Erich M. kehrte nach der Remigration seiner Stieftochter Margrit Stern (* 1931) nach Deutschland zurück und verstarb 1971 in Köln. Auf seinen Wunsch wurde er neben seiner Mutter auf dem jüd. Friedhof in MS begraben.
S. 302-305
MILDENBERG
Jakob
25.6.1867 Laer - 21.6.1944 Ghetto Theresienstadt
E: Salomon Mildenberg (* 2.11.1831 Laer) u. Bertha geb. Fuldauer (2.11.1841 Dinxperlo/NL - 1.3.1920 Laer)
G: Friederike (* 22.3.1861); Hulda (* 3.5.1865); Amalie (* 16.3.1872); Hartwig (2.8.1875 - 12.6.1943 Ghetto Theresienstadt)
Vieh- und Pferdehändler. Zugezogen von Laer am 9.9.1891. Er wohnte Josephstr. 3 (1893). Seit 1898 lebte er in seinem Eigentum Frie-Vendt-Str. 18 und betrieb dort von 1912 bis 1938 eine Viehhandlung. Im Jahre 1916 war er Rendant des "Westfälischen Viehhändlerverbandes", in dem über 100 Viehhandlungen zusammengeschlossen waren. Er gehörte von 1923 bis mindestens 1929 dem Repräsentantenkollegium der jüd. Gemeinde an. Mußte 1938/39 das Weidegrundstück Lange Ossenbeck zur Bezahlung der "Judenvermögensabgabe" nach dem Pogrom verkaufen. Der mit dem Käufer vereinbarte Kaufpreis wurde nach Einspruch des "Reichsnährstandes" erheblich gedrückt und der Käufer zu einer "Ausgleichsabgabe" an das Reich verpflichtet, da es sich um ein Grundstück aus jüd. Besitz handelte. Der Erlös wurde lt. "Sicherungsanordnung" vom 9.1.1939 auf ein Sperrkonto eingezahlt. Im Rahmen der zwangsweisen "Edelmetallabgabe" lieferte er am 28.3.1939 Gebrauchsgegenstände aus Silber an das Pfandleihhaus Dortmund ab. Sein Ackerland an der Mecklenbecker Straße mußte er am 21.9.1939 verkaufen. Bis zum Zwangsumzug am 2.2.1942 in das letzte münsterische "Judenhaus" Am Kanonengraben 4 konnte er in seinem Eigentum, Frie-Vendt-Str. 18, das seit Mitte 1939 als "Judenhaus" galt, bleiben. Eine nichtjüd. ehemalige Mieterin tätigte die Einkäufe für ihn. In der Marks-Haindorf-Stiftung war er in einem Raum mit sechs weiteren Bewohnern untergebracht. Er unterstützte ab Dezember 1941 mit monatlich 150 RM Selma Miltenberg, die wegen eines gebrochenen Fußes pflegebedürftig und selbst mittellos war. Jakob M. wurde am 31.7.1942 von MS ins Ghetto Theresienstadt deportiert (Transport-Nr. XI/1-824), nachdem er für 4.500 RM am 23.7.1942 noch einen "Heimeinkaufsvertrag" abgeschlossen hatte, der ihm den Einkauf in ein Altersheim vorgaukelte. Sein Bruder Hartwig gelangte mit demselben Transport von Bünde aus nach Theresienstadt. Jakob M. verstarb knapp zwei Jahre später an einer dort wegen mangelnder hygienischer Zustände grassierenden Typhus-Epidemie. 1950 wurde er für tot erklärt. Das Grundstück Frie-Vendt-Str. 18 ("unbewegliches Vermögen von Reichsfeinden") wurde ihm lt. Verfügung des Regierungspräsidenten MS vom 20.7.1942 entzogen.
EHEFRAU
Hedwig geb. Goldberg
15.1.1865 Ibbenbüren - 6.1.1927 MS
Lehrerin. Zugezogen von Laer am 9.9.1891. Sie nahm nach dem Tod ihrer Schwiegermutter seit dem 16.3.1920 vorübergehend ihren 88jährigen Schwiegervater in ihrem Haushalt auf. Hedwig M. verstarb mit 61 Jahren und wurde auf dem jüd. Friedhof in MS begraben.
KINDER
Willy
9.9.1891 Laer - April 1945 Reitzenheim
Kaufmann. Kam als Säugling mit seinen Eltern von Laer nach MS. Er wohnte Josephstr. 3 und von 1899 bis 1941 im Elternhaus Frie-Vendt-Str. 18, das seit Mitte 1939 als "Judenhaus" galt. Er war von Ostern 1901 bis 1905 Schüler des Paulinums. Anschließend erfolgte eine kaufmännische Ausbildung und Berufsausübung in Remscheid, Mönchengladbach und Dortmund. Im Oktober 1913 wurde er zum Militär-Grunddienst herangezogen, kam im April 1915 von Neubreisach wieder nach MS und wurde am 2.11. 1917 Soldat. Aus dem Krieg kehrte er als Schwerkriegsbeschädigter zurück. Betrieb bis zum Berufsverbot und zur Abmeldung am 31.12.1938 die Viehhandlung gemeinsam mit seinem Vater. Heiratete um 1937 seine Cousine Emmy Mildenberg aus Melle (Tochter von Hartwig Mildenberg), der die Emigration nach Argentinien gelang. Nahm 1939 Spanischunterricht bei Henny Hertz und hoffte auf eine Emigration zu seinem Bruder Erich nach Argentinien. Wurde wegen seiner Kriegsverletzung nicht zum Arbeitseinsatz zwangsverpflichtet, jedoch als "arbeitsfähig" am 13.12.1941 nach Riga deportiert. Gelangte am 7.8.1944 auf einem Frachtkahn ins KZ Stutthof bei Danzig. Neun Tage später (16.8. 1944) wurde er zusammen mit 500 weiteren Häftlingen, unter ihnen die Münsteraner Siegfried Goldenberg und Wilhelm Grüneberg, ins KZ Buchenwald überstellt. Auf der Transportliste war die Berufsbezeichnung "Bauer" aufgeführt. Durch eine, auch von anderen Häftlingen vorgenommene, Vordatierung seines Geburtsdatums von 1891 auf 1898 erhoffte er sich vermutlich bessere Überlebenschancen. Er war mit Siegfried Goldenberg zuletzt im Buchenwalder Außenkommando Rehmsdorf (1945). Beim Herannahen amerikanischer Truppen wurde er im Frühjahr 1945, unter Beschuß der Alliierten, auf den "Todesmarsch" in Richtung Theresienstadt geschickt. Vor Erschöpfung blieb er zurück und wurde bei Reitzenheim von der SS im April 1945 erschossen. Vom Amtsgericht MS wurde er 1950 für tot erklärt.
Erich
29.9.1893 MS - 20.4.1971 Köln
... [siehe Textzitat oben] ...
Siegfried
2.9.1896 MS - 6.8.1927 MS
Viehhändler, Kaufmann. Verstarb mit 30 Jahren und wurde auf dem jüd. Friedhof in MS beigesetzt.
Else
14.10.1900 MS - KZ Auschwitz
Sie wohnte im Elternhaus Frie-Vendt-Str. 18. Im Jahre 1919 gehörte sie dem "Israelitischen Frauenverein" in MS an. Sie verzog nach ihrer Heirat am 20.7.1923 in Leipzig mit Hermann Klein (* 8.12. 1896 Leipzig) in dessen Wohnort Leipzig. Ihre dort geborene Tochter Jutta Klein lebte in den 1930er Jahren bei dem Großvater in MS. Nach ihrer Scheidung lebte Else K. in Berlin und wurde von dort zusammen mit Ehemann und Tochter sowie deren kleinem Sohn am 9.12.1942 nach Auschwitz deportiert, wo die gesamte Familie umkam. 1951 wurde sie für tot erklärt. Das Andenken ihrer Familie sowie ihres ebenfalls umgekommenen Vaters und ihres Bruders Willy wird durch die Inschrift auf einem Gedenkstein bewahrt, der sich auf dem Grab ihrer Mutter auf dem jüd. Friedhof in MS befindet.
Harry
30.10.1908 MS - 7.5.1986 USA
Kaufmann, Abteilungsleiter in der Wäscheabteilung eines Kaufhauses in Leipzig. Nach seiner Entlassung wegen Geschäftsaufgabe kehrte er nach MS ins Elternhaus zurück. War dann als Handelsvertreter der Fa. "S. Elsberg" aus Warendorf tätig. Mit einer Bürgschaft von einer entfernten Verwandten in San Francisco emigrierte er am 10.7.1938 in die USA. Er fand dort Arbeit bei der "Fuller Brush Company" - einer Firma, in der viele deutsche Emigranten ihren Start in den USA begannen - im Bürstenhausierhandel auf Kommissionsbasis. Anschließend war er im Kaffeegroßhandel mit Belieferung von Restaurants und Cafés tätig. Bei Ausbruch des 2. WK wurde er von der amerikanischen Armee nicht als Freiwilliger akzeptiert. Da landwirtschaftliche Kräfte benötigt wurden, lernte er bei einem Bauern, kaufte 1942 eine Farm mit fünf Kühen bei Petaluma/Kalifornien und betrieb 50 Jahre erfolgreich Milchwirtschaft. Er heiratete am 27.9.1942 in San Francisco die aus Libau/Lettland stammende Isabel, deren Familie im Holocaust ermordet wurde. Das Ehepaar hatte zwei Kinder.
aus: Korrigenda- und Ergänzungsliste zum Biographischen Lexikon, August 2001
S. 12
MILDENBERG
Jakob
KINDER (u.a.)
Willy
Erhielt 1916 als Kanonier im Feldart.reg. Nr. 80 das EK II. Heiratete am 3.6.1924 in Melle Emmy Mildenberg (*10.9.1902).