L154 | Hertz, Siegfried | 23.10.1894 - 15.08.1927 |
Hier ruht
mein innigstgeliebter Mann
unser guter Vater
Siegfried Hertz
geb. 23. Okt. 1894
gest. 15. Aug. 1927
aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001
S. 198-200
HERTZ
Siegfried
23.10.1894 Borghorst - 15.8.1927 Königstein/T.
E: Gerson Hertz (9.3.1845 Borghorst - 20.4.1920 Borghorst) u. Karoline geb. Windmüller (2.9.1853 Beckum - 30.11.1936 Koblenz)
G: Mathilde ∞ Heilbronn, Achim, (23.7.1882 Borghorst - 1.6.1940 England); Salomon (31.10.1883 Borghorst - 28.7.1944 KZ Riga); Selma ∞ Reingenheim (8.11. 1884 Borghorst - KZ verschollen); Jenny ∞ Löwenstein, Hannover, (5.6.1886 Borghorst - 30.9.1970 USA); Hermann (10.12.1887 Borghorst - 13.5.1946 USA); Julius (13.10.1889 Borghorst - 22.3.1963 USA); Else ∞ Fromm, Rheine, (1.9.1891 Borghorst - KZ verschollen); Sophie ∞ Heilbronn (17.11.1892 Borghorst - 18.5.1951 USA)
Pferdehändler, Kaufmann. Jüngstes der neun Kinder der Borghorster Familie Gerson Hertz, Bruder der beiden Inhaber des Kaufhauses Hertz in MS, Prinzipalmarkt 5. Er war seit 1917 mit einer Pferde- und Großviehhandlung für MS, Graelstr. 35, gemeldet und wohnte seit seiner Heirat 1919 Südstr. 33. Seine Stallungen befanden sich an der Hafenstr. 40. Seit Januar 1927 hatte er zusätzlich einen Vertrieb von Manufakturwaren. Er verstarb am 15.8.1927 plötzlich nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 32 Jahren. Wurde auf dem jüd. Friedhof in MS begraben.
∞ 27.3.1919
Friedel geb. Hofmann
19.4.1893 Jena - 25.4.1983 England
E: Moritz Hofmann, Viehhändler in Jena, u. Jetty geb. Moses (27.2.1866 Tann/Rhön - 24.5.1932 MS)
G: Walter (14.9.1901 Jena ? - ca. 1944 KZ Riga-Kaiserwald)
Wohnte bei ihrer Verlobung am 23.12.1917 in Jena, Humboldtstr. 9, und wurde bei ihrer Heirat, die in Borghorst gefeiert wurde, als "Haustochter" bezeichnet. Mit ihrem Ehemann wohnte sie in MS, Südstr. 33 (1920 - 1937 ?), später Augustastr. 26. Seit dem Tod ihres Mannes war sie als Angestellte im Kaufhaus Hertz tätig und stand nach Verkauf der Firma am 15.8.1937 ohne Einkommen da. Sie verzog zu ihrer Cousine Rosa Hertz, Geiststr. 98 (1938), und lebte von früherem Vermögen und Ersparnissen. Daneben trug sie den Unterhalt der 18jährigen Tochter Marga und die Ausbildungskosten von monatlich 100 RM für die Tochter Ruth. Als sie Emigrationsabsichten äußerte, wurde ihr Konto gesperrt. Es ist nicht bekannt, ob ihre Bitte um Aufhebung der Sperrung wegen eines Gesamtvermögens von rund 8.500 RM, erfüllt wurde. Ihre Auswanderung war im Februar 1939 noch nicht gelungen, doch war das genehmigte und mit Abgabe belegte Umzugsgut bereits beim Spediteur gelagert. Nach anonymer Anzeige wurde dieses durch die Gestapo beschlagnahmt. Wegen eines eingeleiteten "Devisenstrafverfahrens" wurde ihr der Reisepaß entzogen. Sie erhielt am 12.5.1939 eine Strafe von 1.375 RM, und gegen Zahlung von weiteren 1.800 RM wurde ihr der Paß zurückgegeben. Am 1.6.1939 gelangte sie mit einem "domestic permit" nach England und wurde am 6.4.1940 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert. Sie verstarb 1983 in der Nähe von Manchester.
KINDER
Marga
* 10.4.1920 MS, lebte 1992 in England
Haustochter. Schülerin der kath. Mittelschule von 1930 bis 1934. Sie wohnte bis September 1937 Südstr. 33, dann Augustastr. 26. War bis ca. August 1938 in Pirmasens im Haushalt tätig, da es keine andere Ausbildungsmöglichkeit gab. Sie erhielt als Entgelt monatlich 20 RM bei freier Kost und Unterkunft. Als ihr Arbeitgeber auswanderte, verlor sie ihre Stellung und kehrte daraufhin nach MS zurück. Trotz der am 9.2.1939 aufgrund ihrer Bedürftigkeit erbetenen Genehmigung zur kostenfreien Mitnahme des Umzugsgutes wurde sie mit einer Abgabesumme von 100 RM belegt. Die Mitnahme von Silberschmuck wurde verboten. Sowohl ihre Mutter als auch ihre Schwester warteten zu diesem Zeitpunkt auf die Aufenthaltsgenehmigung für England mit fernerem Emigrationsziel USA, wo ihre Onkel, die früheren Inhaber des Kaufhauses Hertz, lebten. Sie gelangte mit einem "Haushaltspermit" am 6.3.1939 nach England und wurde am 6.4.1940 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert. Sie lebte 1992 in der Nähe von Manchester.
Ruth
21.6.1921 MS - England
Hausangestellte. Wuchs Südstr. 33, dann Augustastr. 26 auf. Verlor ihren Vater im Alter von sechs Jahren. Besuchte fünf Jahre die Volksschule. War von Ostern 1932 bis Ostern 1935 Schülerin der kath. Mittelschule, die sie mit Beendigung der Quarta verließ. War 1934 Mitglied im "Bund Deutsch-Jüdischer Jugend" in der Gruppe der zwölf- bis 14jährigen Mädchen, gleichzeitig Gruppenführerin der Zehn- bis Zwölfjährigen. Veranstaltete 1934 Spiele und Ausflüge in die Umgebung. Sie verzog am 20.11.1935 nach Bielefeld, wo sie bis zum 18.8.1936 als Hausangestellte arbeitete. 1938 befand sie sich zur Ausbildung in einer Klinik in Karlsruhe, wofür die arbeitslos gewordene Mutter monatlich 100 RM Ausbildungskosten zahlte. Im Frühjahr 1939, drei Monate vor ihrer Mutter, emigrierte sie nach England. Wurde am 6.4.1940 aus Deutschland ausgebürgert.