L21 Davids, Liselotte
 07.06.1911 - 19.08.1983

פ''נ
אהרון ב''ר מאיר

[Hier ruht
Aaron, Sohn des Herrn Meir]

Alfons Aron Davids
20.3.1902 - 18.6.1972
Lieselotte Davids
geb. Lesser
7.6.1911 -19.8.1983
תנצב''ה

aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster  ²2001

S. 103-104
DAVIDS
Lieselotte geb. Lesser

7.6.1911 Beckum - 19.8.1983 Waldshut
E: Moritz Lesser (12.5.1880 Mlynitz/Kr. Thorn - 16.1. 1943 Ghetto Theresienstadt) u. Adele geb. Weinberg (27.4.1883 Rabber/Kr. Wittlage - 5.4.1934 MS, Freitod)
G: Herbert ( 6.1.1908 Beckum - Ghetto/KZ Riga)
Kaufmännische Angestellte. Kam 1915 während des 1. WK als Vierjährige von Beckum mit ihrer Mutter nach MS, wo diese ein Konfektionsgeschäft in der Hagedornstr. 2 aufbaute. Sie wuchs Hagedornstr. 20 (1921) und Friedensstr. 8 (vor 1929) auf. Nach dem Besuch der jüd. Volksschule von 1918 bis 1921 war sie bis zur Mittleren Reife 1927 Schülerin der Freiherr-vom-Stein-Schule. Danach folgte ein einjähriger hauswirtschaftlicher Lehrgang in der Frauenschule MS und 1928 eine gymnastische Vorbereitungsschulung in Wiesbaden bei einer diplomierten Gymnastiklehrerin. Lieselotte D. kehrte 1929 nach MS zurück, um ihre Ausbildung zur Gymnastiklehrerin fortzusetzen. Sie konnte diese aufgrund der weiteren Geschehnisse während der NS-Diktatur nicht mehr beenden. Der Boykott des elterlichen Herrenbekleidungshauses "Moritz Lesser", das im November 1932 mit erheblichen Investitionen vergrößert und von der Salzstr. 16 zum Prinzipalmarkt 38/39 verlegt worden war, traf die Kaufmannsfamilie im März/April 1933 hart. Lieselotte D. fand eine Anstellung als Verkäuferin und Kassiererin im Korsetthaus "Helene Davids & Co.", Prinzipalmarkt 37. Dort lernte sie ihren Mann kennen, der ein Neffe der Inhaberin Rosa Marcus war. Sie behielt diese Tätigkeit bis zur Demolierung und Zwangsschließung des Geschäftes nach dem Novemberpogrom 1938. Danach gab es keine Erwerbsmöglichkeit mehr. Am  15.12.1938 erfolgte der Verkauf des Hauses Friedensstr. 8, der im März 1939 genehmigt wurde. Ihr Konto wurde zur Sicherung der nach dem Novemberpogrom erhobenen NS-"Sühneabgabe" von 4.200 RM und für die im April zusätzlich aufgebürdete "Wertzuwachssteuer" gepfändet. Nach der Anklage wegen angeblichen "Devisenvergehens" erfolgte ihre Inhaftierung in Meppen von Anfang Februar bis August 1939. Sie wurde darüberhinaus mit einer Geldstrafe von 1.000 RM belegt. Nach ihrer Rückkehr wohnte sie seit dem 7.8.1939 im "Judenhaus" Frie-Vendt-Str. 18. Während ihrer Internierung im Lager Atlit bei Haifa wurde sie von Gerda Grabe, einer Freundin aus Münsteraner Tagen, die sich bereits seit 1934 in Palästina aufhielt und von ihrem Aufenthalt im Lager erfahren hatte, mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt. Lieselotte D. arbeitete zunächst in einer Kleiderfabrik im Akkord, erwarb später eine eigene Nähmaschine und war als selbständige Schneiderin tätig. Sie war in den 1950er Jahren mehrmals zu Besuch und zu längeren Aufenthalten in MS, kam am 29.4.1958 von Israel zur Windthorststr. 19 und verzog im Februar 1960. Sie verstarb bei einem Erholungsaufenthalt im Schwarzwald und wurde im Familiengrab neben ihrem Ehemann und ihrer Mutter auf dem jüd. Friedhof in MS beigesetzt.

S. 102-103
DAVIDS
Alfons    
20.3.1902 Hüls/Krefeld - 18.6.1972 Altenberge/Steinfurt
E: Max Davids, Anstreicher, (* 25.2.1866 Hüls) u. Therese geb. Kaufmann (17.8.1867 Eschweiler - 15.1.1941 MS)
G: Ella ∞ Bacharach, Essen, (* 3.6.1893 Hüls, emigrierte in die USA); Fritz, Essen, (4.6.1897 Hüls - 31.7.1945 England)
Kaufmann. Wohnte vom 1.6.1929 bis zum 22.3. 1933 als Verkäufer in Duisburg. War danach vermutlich als Vertreter in Essen tätig, wo seine Schwester verheiratet und sein Bruder Prokurist der Fa. "Bacharach & Co." war. Im Januar 1936 verzog er nach MS und heiratete im Juni 1936 Lieselotte Lesser, Verkäuferin im Korsettgeschäft "Helene Davids & Co.". Seine Tante Rosa Marcus war Inhaberin dieses Betriebes, er selbst zu 10 % daran beteiligt. Da seine berufliche Situation in Deutschland aussichtslos war, entschloß er sich im Mai 1938 zur Emigration nach Palästina und beantragte zu diesem Zweck 1.000 Palästina-Pfund als "Vorzeigegeld" ("Kapitalistenzertifikat"). Zum Ankauf der Devisen sollte u.a. der Geschäftsanteil an der Fa. "Helene Davids & Co." verkauft werden. Im Jahre 1938 wurde das Ehepaar Davids Eigentümer des Hausgrundstückes Friedensstr. 8, das allerdings zur Hälfte mit Hypotheken belastet war und im März 1939 zwangsweise verkauft werden mußte. Im Februar 1939 wurden Alfons D. und seine Ehefrau inhaftiert und wegen "Devisenvergehens" im Sinne der NS-Gesetzgebung angeklagt, begangen mit Hilfe eines niederländischen Mittelsmannes, der ebenfalls in Haft genommen wurde. Alfons D. wurde in Untersuchungshaft in Meppen festgesetzt und zu 3.000 RM Geldstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung zog er am 25.11.1939 ins "Judenhaus" Frie-Vendt-Str. 18, Eigentum von Jakob Mildenberg, wo seine Ehefrau bereits seit dem 7.8.1939 Unterkunft gefunden hatte. Von dort gelang am 23.12. 1939 ihre sechsmonatige Flucht über Wien und Preßburg per Schiff donauabwärts nach Haifa, wo die englische Mandatsregierung die Aufnahme der Flüchtlinge verweigerte und sie zur Insel Mauritius weiterleiten wollte. Da Alfons D. an Typhus erkrankt war, wurde er unter militärischer Bewachung im Hospital in Haifa aufgenommen. Seine Ehefrau, die zum Weitertransport bestimmt war, weigerte sich erfolgreich. Beide wurden am 17.5.1940 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert. Nach der Genesung wurde das Ehepaar weitere sechs Monate im Internierungslager Atlit bei Haifa unter Bewachung englischer Soldaten gehalten, bis eine Genehmigung zum Aufenthalt im Lande erteilt wurde. In Tel Aviv baute er mit Hilfe seiner Frau nach dem Krieg eine Leihbibliothek für deutschsprachige Emigranten auf. Er kehrte erstmals für 18 Monate von November 1956 bis April 1958 nach MS zurück, lebte zwischenzeitlich jedoch in Israel. Sein Grab befindet sich auf dem jüd. Friedhof in MS.

∞  29.5.1936 MS
EHEFRAU
Lieselotte geb. Lesser
7.6.1911 Beckum - 19.8.1983 Waldshut
... [siehe Textzitat oben] ...

S. 258-260
LESSER
Moritz
12.5.1880 Mlynitz/Westpr. - 16.1.1943 Ghetto Theresienstadt
Kaufmann. Übernahm in Beckum bei seiner Heirat 1907 das von seiner Ehefrau gegründete Textilhaus und eröffnete noch ein zweites Geschäft. 1915 wurden diese verkauft und der Wohnsitz nach MS verlegt. Während seines Fronteinsatzes führte seine Frau das "Berliner u. Elberfelder Konfektionslager" in MS, Hagedornstr. 2, das nach seiner Rückkehr aus dem Krieg zur Salzstr. 18/19, eine der Hauptgeschäftsstraßen Münsters, verlegt wurde. Als Auszeichnung für seine Teilnahme am 1. WK 1914 - 1918 wurde ihm am 22.12.1934 das "Ehrenkreuz für Frontkämpfer" verliehen. Er wohnte zunächst Hagedornstr. 20 (1921), dann im Eigentum Friedensstr. 8 und erwarb um 1926 das Haus Ludgeristr. 32, in dem er mit drei Angestellten von 1926 bis 1932 ein Herrenwäschegeschäft betrieb. Zur Finanzierung der Vergrößerung seines Hauptgeschäftes "Herren- u. Knabenbekleidung" verkaufte er dieses Haus 1932. Die Neueröffnung erfolgte Ende 1932 im Hause Prinzipalmarkt 38 - 39 mit einer vergrößerten Verkaufsfläche, nachdem im Frühjahr das 25. Geschäftsjubiläum begangen worden war. Im Münsterschen Anzeiger" hieß es zu diesem Anlaß: "Durch unermüdliches Vorwärtsstreben, eisernen Fleiß und strenge Reellität brachte der rührige Kaufmann sein Unternehmen zu seiner heutigen hohen Bedeutung, die ihm in Stadt und Land den besten Ruf sicherte". Am Boykott-Tag 1933 standen SA- und SS-Posten vor dem Geschäft. 1934 wurde der Konkurs angemeldet. Danach betrieb Moritz L. bis September 1935 zusammen mit seinem Sohn von seiner Wohnung aus einen Versandhandel für Knabenbekleidung. Im Februar 1939 wurde er mit seiner Tochter Lieselotte und dem Schwiegersohn Alfons Davids wegen des Versuchs, mit Hilfe eines holländischen Mittelsmannes Geld in die Niederlande zu schaffen, verhaftet. Moritz L. war in Gefängnissen in MS, Meppen und Hannover inhaftiert und wurde  am 14.6.1939 zur Zahlung von 500 RM Strafe verurteilt. Im Rahmen der "Edelmetallabgabe" mußte er am 24.4.1939 Silbersachen und Schmuck bei der Städt. Pfandleihe in Dortmund abliefern. Der Erlös seines am 15.12.1938 zwangsverkauften Eigentums Friedensstr. 8, das er seiner Tochter übereignet hatte, gelangte nach dem Pogrom auf ein Sperrkonto, von dem die "Judenvermögensabgabe" eingezogen wurde. Am 27.11.1939 wurde mittels einer "Sicherungsanordnung" sein Guthaben gepfändet. Er war anschließend auf jüd. Wohlfahrtsunterstützung angewiesen. Noch 1940 bemühte er sich um die Versendung von Umzugsgut für eine geplante Auswanderung in die USA. Vom 30.3. bis zum 10.4.1940 hielt er sich in Berlin auf. Am 10.4. 1940 wurde er aufgrund des NS-Mietgesetzes in das "Judenhaus" Frie-Vendt-Str. 18 und am 3.2.1942 in das letzte münsterische "Judenhaus" Am Kanonengraben 4 eingewiesen, wo er in einem als Küche mitgenutzten Raum untergebracht war. Am 31.7. 1942 wurde er ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die dortigen Lagerbedingungen überlebte er nur knapp sechs Monate, da er schwer zuckerkrank war und kein Insulin mehr bekommen konnte. 1954 wurde er für tot erklärt. Sein Andenken wird durch eine Inschrift auf dem Grabstein seiner Frau geehrt.

∞ 1907 Beckum (?)
EHEFRAU
Adele (Rosa) geb. Weinberg
27.4.1883 Rabber/Kr. Wittlage - 5.4.1934 MS
E: Louis Weinberg, Viehhändler, Schlachter in Rabber, u. Emilie geb. Meyersberg
Gründete zu Beginn des 20. Jh. in Beckum ein Textilgeschäft, das nach ihrer Heirat 1907 als "Fa. Moritz Lesser" firmierte und im 1. WK verkauft wurde. 1915, als ihr Ehemann an der Front war, verzog sie nach MS und baute dort wieder eine Manufakturwarenhandlung in der Hagedornstr. 2 auf. Wegen zunehmender nazistischer Repressalien setzte sie am 5.4.1934 ihrem Leben ein Ende. Sie wurde auf dem jüd. Friedhof in MS beigesetzt.

KINDER
Herbert
6.1.1908 Beckum - Ghetto Riga
Kaufmann, Dekorateur. Er erhielt eine gymnasiale Ausbildung bis ca. 1925, vermutlich bis zur mittleren Reife. Anschließend absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Herrenkonfektionsgeschäften in Hannover und Bottrop und war seit 1932 im elterlichen Geschäft als Verkäufer und wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten besonders als Dekorateur tätig. Er war der einzige jüd. Sportler im "Schwimmverein SV Niedersachsen von 1895" in MS. Sein Vater, einer der größten Sponsoren des Vereins, stiftete alljährlich beim Weihnachtsschwimmfest dem 1. und 2. Sieger einen Trainingsanzug in den Vereinsfarben. Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft wurde er tätlich verfolgt und bis April 1934 im KZ Esterwegen mehrere Monate inhaftiert. Nach dem Geschäftskonkurs 1934 baute er mit seinem Vater ein Kommissionsgeschäft als Existenzbasis in der Privatwohnung auf, heuerte dann jedoch vor Juni 1936 bei der Red Star Line/Antwerpen als Schiffskoch an und fuhr vom 25.8.1937 bis zum 24.9.1938 auf den Dampfern "Preussen" und "Nordmark" der Hapag Lloyd als Jungmann und Leichtmatrose zur See. Nach der Rückkehr von einer Amerikareise um den 9.11.1938 geriet er in Hamburg bei einer Paßkontrolle in die Verhaftungsaktionen, die dem Novemberpogrom folgten. Er wurde bis Ende Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen inhaftiert und nur mit der Zusicherung auszuwandern, freigelassen. Nach einem Abschiedsbesuch in MS heuerte er am 16.1.1939 als Leichtmatrose auf dem Schiff "Amasis" an, das nach Riga/Lettland fuhr. Er blieb dort und wurde deshalb am 16.11.1940 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert. Als Maler und Anstreicher fand er lt. brieflicher Nachricht sein Auskommen. Bis zum Beginn des Rußlandfeldzuges im Juni 1941 stand er in Kontakt mit seinem Vater. Danach brach jede Verbindung ab. Als Riga am 1.7.1941 von den Deutschen eingenommen wurde, geriet er wieder unter NS-Herrschaft. Es ist zu vermuten, daß er mit 30.000 lettischen Juden seit Mitte August im Ghetto Riga konzentriert und bei einer der beiden Erschießungsaktionen am 30.11. bzw. 8.12.1941 ermordet wurde. Er wurde 1954 vom Amtsgericht MS für tot erklärt. Sein Andenken wird durch eine Inschrift auf dem Grabstein seiner Mutter bewahrt.

Lieselotte ∞ DAVIDS, Alfons
7.6.1911 Beckum - 19.8.1983 Waldshut


Zum Lageplan  | Zur Personensuche