R90 Kutner, Anna Charlotte
 18.08.1895 - 20.11.1939

Anna Charlotte Kutner
geb. Probstein
geb. 18.8.1895  gest. 20.11.1939

תנצב''ה

[Entgegen der Angabe im "Biographischen Lexikon" konnte der Grabstein von Anna Charlotte Kutner identifizert werden.]

aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster  ²2001

S. 247-248
KUTNER
Anna Charlotte geb. Probstein

18.9.1895 Burgsteinfurt - 20.11.1939 MS
E: Aron-Arthur Probstein (* Krakau - 1920 Burgsteinfurt) u. Hedwig geb. Bendix (27.10.1870 Burgsteinfurt - 1943 KZ Riga-Strasdenhof)
G: Werner (24.12.1898 Burgsteinfurt - 3.11.1989 Schweiz)
Hielt sich 1938 in den Niederlanden auf, wo sie schwer erkrankte. So kam eine geplante Emigration nicht mehr zustande. Sie verstarb in MS, ein Grabstein hat sich auf dem jüd. Friedhof nicht erhalten.

S. 247-248
KUTNER
Max (Marcus)
17.6.1888 Stubendorf/Groß-Strehlitz - KZ Riga-Strasdenhof
E: Leopold Kutner (verstorben 12.7.1928) u. Fanny geb. Zwirner (verstorben 16.6.1930)
G: Benno (KZ verschollen); Hermann (KZ verschollen); Amalie (KZ verschollen); Berta ∞ Dallmann (KZ verschollen); Tina ∞ Wieruszowski (19.2.1885 - KZ Auschwitz); Selma ∞ Nebel (KZ verschollen); Reynold, emigriete in die USA; Rose ∞ Sandhaus, emigriete in die USA; Salo, emigrierte in die USA
Kaufmann, Fabrikant. Teilhaber der 1850 in Burgsteinfurt gegründeten ersten westfälischen "Schirmfabrik S. Bendix", die seit dem 1.1.1925 in MS, Bahnhofstr. 48, etabliert war. Von Prenzlau kommend, wohnte er 1920 schon einmal vorübergehend in MS (Salzstr. 2), zog dann ca. 1925 von Burgsteinfurt erneut in die Stadt und wohnte Kanalstr. 35 (bis 1938) sowie Margaretenstr. 23 (1940). Ende 1935/Anfang 1936 beteiligte er sich an einer "Sammlung für die Eintopfspende", die von der "Jüdischen Winterhilfe" der "Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden" in MS veranstaltet wurde. Bereits seit 1935 plante sein Schwager und Teilhaber Werner Probstein seine Emigration, da die Geschäfte aufgrund des Boykotts jüd. Unternehmen durch die NS-Herrschaft rückläufig waren. Im Juni/August 1938 erfolgte die "Arisierung". Während eines Aufenthaltes im Sommer 1938 in den Niederlanden erkrankte seine Frau schwer und wurde in Zutphen stationär behandelt. Zur Deckung der Krankenhauskosten wurden ihm die erforderlichen 98 hfl bewilligt. Nach seiner Rückkehr nach MS betrieb er seinerseits die Auswanderung seiner Familie nach Palästina auf "Kapitalistenzertifikat". Da sein Vermögen nicht mehr den erforderlichen 1.000 Palästina-Pfund entsprach, wollte seine Schwiegermutter den Restbetrag zusteuern. Zwei Monate später (September 1938) zog er seinen Antrag vermutlich wegen der Krankheit seiner Frau, der langen Wartezeit und der fehlenden finanziellen Mittel wieder zurück. Das lange Krankenlager seiner Frau, die im November 1939 verstarb, zehrte das Restvermögen auf. Da ihm keine Barmittel mehr zur Verfügung standen, bezahlte seine Schwiegermutter am 1.10.1939 die Einkommenssteuer für das Jahr 1938 von ihrem Sperrkonto. Auch nach Erlaß des NS-Mietgesetzes, das ein Zusammenleben von Juden mit Nichtjuden in einem Haus unterbinden sollte, wohnte er 1940 noch Margaretenstr. 23, dann verzog er zur Salzstr. 31. Im "Judenhaus" Hermannstr. 44, in das er anschließend einziehen mußte, bewohnte er für 40 RM Miete zusammen mit Paul Schönthal eineinhalb Zimmer. Max K. plante im April 1940 immer noch, mit seiner Tochter in die USA auszureisen. Dazu hatte er bereits am 2.12.1938 die Schiffskarten erhalten. Am 2.1.1940 wurde sein Vermögen, das aus unbekanntem Grund erheblich gestiegen war, zur Sicherung der Reichsfluchtsteuer gesperrt. Er beantragte einen monatlichen Freibetrag von 250 RM zum Lebensunterhalt, u.a. bezahlte er davon Spanischunterricht. Das Umzugsgut wurde am 6.6.1940 zollamtlich verpackt und bei einem Spediteur gelagert. Mit finanzieller Unterstützung durch die Schwiegermutter sollten Fracht- und Auswanderungskosten gedeckt werden, auf ein Visum wartete er jedoch vergeblich. Am 4.6.1941 wurde sein Umzugsgut "nach Abnahme von 6 unverletzten Zollplomben wieder in den freien Verkehr gesetzt", da keine Möglichkeit zur Ausfuhr bestand. Weil er im September 1941 gebrauchte Kleider an abgeschobene Juden (aus MS ?) ins "Generalgouvernement" versandt hatte, ohne vorher die Genehmigung der Devisenstelle einzuholen, wurde er wegen angeblicher Devisenhinterziehung zur Oberfinanzdirektion vorgeladen und verwarnt. Am 13.12.1941 wurde er mit seiner Tochter und seiner 71jährigen Schwiegermutter Hedwig Probstein von MS ins Ghetto Riga deportiert. Nach Auflösung des Ghettos Ende 1943 wurde er zusammen mit diesen ins KZ Riga-Strasdenhof verbracht. Nach dem Bericht eines Überlebenden sollen sie dort bei einer Erschießungsaktion, die alle über 30jährigen betraf, umgebracht worden sein. 1951 wurde er für tot erklärt.

∞ 12.10.1920 Burgsteinfurt
EHEFRAU
Anna Charlotte geb. Probstein
18.9.1895 Burgsteinfurt - 20.11.1939 MS
... [siehe Textzitat oben] ...

KIND
Sonja
13.5.1922 MS - KZ Riga-Strasdenhof
Verbrachte die beiden ersten Lebensjahre in Burgsteinfurt, wo ihre Eltern bis ca. 1925 wohnten. Von Ostern 1933 bis zum 1.1.1936 (Quarta) war sie Schülerin der Annette-Schule; nachher war sie "beurlaubt", obwohl sie noch schulpflichtig war. Seit dem 1.9.1937 besuchte sie in Prag das "Viktoria-College". Den Transfer des monatlichen Schulgeldes von 175 RM in die Tschechoslowakei mußte der Vater pro Quartal beantragen. Sonja K. wohnte nach ihrer Rückkehr nach MS wieder bei ihren Eltern, Margaretenstr. 23 (11.7.1938). Machte 1939/1940 im jüd. Säuglings- und Kleinkinderheim in Berlin-Niederschönhausen eine Ausbildung als Säuglingspflegerin. Zur Beerdigung ihrer Mutter kam sie für vier Tage nach MS, am 23.9.1940 kehrte sie endgültig zurück und wohnte mit ihrer Großmutter Hedwig Probstein im "Judenhaus" Prinz-Eugen-Str. 39. Die Emigrationshoffnung im Frühjahr 1940 ließ sich nicht verwirklichen. Vom 13.9. bis zum 6.11.1941 hielt sie sich in Hannover auf. Lt. einer von den jüd. Familien geforderten Vermögenserklärung besaß sie zum Zeitpunkt der Deportation ein Guthaben von 3,50 RM. Zusammen mit ihrem Vater und der 71jährigen Großmutter wurde sie am 13.12.1941 von MS nach Riga deportiert. Nach Auflösung des Ghettos Ende 1943 gelangte sie mit diesen ins KZ Riga-Strasdenhof. Obwohl sie nicht zu den über 30jährigen zählte, soll sie lt. Zeugenaussage bei einer Erschießungsaktion umgekommen sein. Sie wurde 1951 für tot erklärt.


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