L25 | Stern, Moritz | 1866 - 1931 |
Moritz Stern
1866 - 1931
aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001
S.456-458
STERN
Moritz
23.4.1866 Werl - 1931 Düsseldorf (?)
E: Bendix Stern, Luckenwalde, (vor 1895 verstorben) u. Rosalie geb. Meyer, wohnte 1895 in Berlin
Kaufmann. Er wurde um 1894/95 Inhaber des seit 1884 in MS niedergelassenen Hamburger Engros-Lagers in Woll-, Kurz- und Besatzwaren "Lapp & Co.", Ludgeristr. 1, später 113. Bei seiner Heirat wohnte er Rothenburg 39/40 (1895) und wurde Eigentümer der Häuser Ludgeristr. 113 (1897 ?) und Klosterstr. 29 (1919). Er war Mitglied der "Abendgesellschaft des Zoologischen Gartens" (1899). Als Repräsentant setzte er sich in der Zeit von 1914 bis 1929 für die Belange der Synagogengemeinde MS ein. Bei einem Schaufensterwettbewerb im Oktober 1929 lag die Fa. "Lapp & Co." auf dem neunten Rang und erhielt einen Anerkennungspreis. Der Tod ereilte Moritz St. während eines Aufenthaltes außerhalb von MS. Er wurde auf dem jüd. Friedhof in MS bestattet.
∞ 3.8.1895 MS
EHEFRAU
Therese geb. Goldberg
8.9.1869 Bork/Kr. Lüdinghausen - 1.7.1952 USA
E: Jordan Goldberg u. Bertha geb. Gumpel
G: Rebekka ∞ Wollenberger; Frau Marx, Elberfeld
Verkäuferin, Rentnerin (1933). Sie wohnte 1895 Ludgeristr. 113, war Verkäuferin und heiratete im gleichen Jahr. Sie war Mitglied im "Israelitischen Frauenverein" (1919). Nach dem Tode ihres Mannes wurde sie Eigentümerin des Hauses und Geschäftes "Lapp & Co.", Ludgeristr. 113. Unter dem Druck des Boykotts 1933 verkaufte sie das Geschäft an den damaligen Geschäftsführer, blieb aber Besitzerin des Hauses. Sie zahlte für den in England weilenden Enkel Lebenshaltungskosten und Schulbesuch, wozu sie die Genehmigung der Devisenstelle benötigte. Diese wurde vorübergehend verweigert, doch wurden von September bis Dezember 1936 monatlich 140 RM genehmigt. Nach der Emigration von Schwiegersohn und Enkelin Mitte 1936 nach England wurden Therese St. "Kapitalverschiebungen ins Ausland" unterstellt. Bei der Vorladung am 14.9.1938 erklärte sie: "Solange mir die Möglichkeit gelassen wird, mich in Deutschland aufzuhalten, beabsichtige ich nicht auszuwandern, da ich bereits 69 Jahre alt bin". In der Pogromnacht 1938 wurde sie durch ständiges Klingeln verschreckt und suchte Zuflucht beim christl. Hauspersonal. Durch das Eintreten einer im Hause wohnenden nichtjüd. Ärztin verlief die Hausdurchsuchung der SA ohne Zerstörung von Mobiliar. Kurz nach dem Pogrom verließ sie Deutschland am 14.11.1938 in Richtung England, um von dort zu ihrem Sohn nach Amerika zu gelangen. Die Veräußerung des Geschäftshauses erfolgte durch ihren Bevollmächtigten Dr. Max Meyer am 24.11.1938. Beim Verkauf des Warenlagers entstanden große Verluste (ca. 16,5 %). Die Zwangsabgaben an das Reich, wie z.B. Reichsfluchtsteuer und "Judenvermögensabgabe", erreichten fast die Höhe von 80.000 RM. Ende Dezember 1938 wurde ihr Wohnhaus Klosterstr. 29 verkauft. In Abwesenheit mußten aufgrund der "Verordnung zur Abgabe von Edelmetallen" vom 24.2.1939 acht kg Silber aus ihrem Besitz gegen ein Entgelt von 69,66 RM an die Pfandleihanstalt Dortmund abgeliefert werden. Das Umzugsgut, das am 18.7.1939 verpackt und versiegelt, aber wegen des Kriegsausbruchs nicht versandt werden konnte, wurde im Juni 1941 von der Gestapo beschlagnahmt und verkauft. Der Erlös von 4.570 RM wurde vom Deutschen Reich eingezogen. Therese St. kam faktisch vermögenslos in London an und erlangte dort das Daueraufenthaltsrecht. Vom Sperrkonto konnten die Blumenpflege für die Erbgruft und die Kultussteuern nach Genehmigung durch die Devisenstelle bezahlt werden. Mit ihrer Ausbürgerung am 5.12.1940 wurde ihr Restvermögen aus dem Grundstücksverkauf (26.000 RM) konfisziert. Im Mai 1946 erfolgte die Weiterreise zu ihrem Sohn in die USA. Dort lebte sie noch sechs Jahre und verstarb am 1.7.1952 im Alter von 82 Jahren.
zu beachten auch die Ergänzungen zu Therese Stern unter "Weiteres"!
KINDER
Else
4.1.1897 MS - 10.12.1935
Sie wuchs im Haus Ludgeristr. 113 auf und wurde Schülerin des Ev. Lyzeums bis zum Abschluß 1913. Sie heiratete am 8.3.1919 in MS den zehn Jahre älteren Zahnarzt Berthold Schüler (* 17.9.1887 Düsseldorf), der in Düsseldorf praktizierte. Er war Sohn des Kaufmanns Albert Schüler und der Bertha geb. Alsberg. In Düsseldorf wurden ihre beiden Kinder Lutz (* 28.8.1920) und Lore (* 29.7.1925) geboren. Im Dezember 1935 kam sie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Ihr Ehemann, nun Witwer, emigrierte mit der Tochter am 5.6.1936 von Düsseldorf nach London, wohin seine Schwiegermutter im November 1938 ebenfalls flüchtete.
Erich (Otto), Dr. jur.
26.5.1902 MS - 14.10.1958 USA
Rechts- und Wirtschaftsberater in Berlin. Besuchte zunächst die ev. Vorschule, dann bis zum Abitur 1920 die Städt. Oberrealschule in MS. Anschließend studierte er an den Universitäten Freiburg, München, Berlin und MS an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät mit gleichzeitigem Besuch von philosophischen Vorlesungen. Nach dem sechsten Semester meldete er sich zur ersten juristischen Staatsprüfung und bestand sein Examen vor dem OLG Hamm am 21.7.1923. Er war anschließend bei der väterlichen Fa. "Lapp & Co." in MS und 1924 bei der Fa. "Oberpollinger GmbH" in München kaufmännisch tätig. 1924 war er wieder in Freiburg eingeschrieben und wurde am 28.7.1924 zum Dr. jur. promoviert. Er fungierte als Berater seines Vaters in Rechts- und Wirtschaftsangelegenheiten und brachte die Fa. "Lapp & Co." durch Inflation und Weltwirtschaftskrise "unbeschadet" hindurch. Bei der "Arisierung" des Geschäftes im März 1933 wurde seine Beratertätigkeit in Steuerangelegenheiten für zehn Jahre vertraglich festgelegt. Er wohnte in Berlin-Friedenau und war 1938 als Wirtschaftsexperte tätig. Nach seiner Heirat Mitte 1938 mit Gerta Meyer in Berlin emigrierte er nach New York, wo er 1956 noch wohnte. Er lebte anfangs unter wirtschaftlich bedrückenden Umständen, so daß seine Mutter dem jungen Paar Bett- und Tischwäsche schickte.