L30 | Uhlmann, Alice | 24.03.1901 - 09.04.1960 |
Gustav Uhlmann
geb. 3.10.1874 gest. 18.7.1931
Hedwig Uhlmann
geb. Rosenbaum
gest. im K. Z. Riga
Alice Uhlmann
geb. Alsberg
geb. 24.3.1901 gest. 9.4.1960
aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001
S. 477
UHLMANN
Alice geb. Alsberg
24.3.1901 Volkmarsen/Kassel - 9.4.1960 Gütersloh
E: Siegmund Alsberg (verstorben 1917 Volksmarsen) u. Franziska geb. Rosenbaum (23.2.1877 Immenhausen - 1.8.1956 Israel)
G: Ludwig (19.7.1897 Volkmarsen - 18.11.1957 Israel); Hanna (verstorben während des 1. WK); Dr. jur. Karl (15.9.1906 Volkmarsen - ca. 1967 Israel)
Wuchs in Volkmarsen auf. Besuchte das Mädchenlyzeum in Arolsen bis zur mittleren Reife und anschließend ein Jahr eine Hauswirtschaftsschule in Hannover. Sie heiratete mit 19 Jahren. Mußte sich 1938/39 von ihren minderjährigen Kindern trennen, als diese sich in Palästina in Sicherheit bringen konnten. Im November 1940 kam sie mit knapper Not bei der Sprengung des Schiffes "Patria" vor der Küste Palästinas mit dem Leben davon. Sie verstarb während eines Aufenthaltes in Gütersloh und wurde auf dem jüd. Friedhof in MS begraben.
S. 476-478
UHLMANN
Rudolf
22.5.1892 Lemgo - 4.5.1972 Israel
E: Meier Uhlmann (19.1.1844 Ovenhausen/Kr.Höxter - 3.5.1927 MS) u. Johanna geb. Katzenstein (18.1.1846 Hohenhausen/Lemgo - 2.11.1920 MS)
G: Lieschen ∞ Frankenberg, Wuppertal, (KZ verschollen); Gustav (3.10.1874 Hunteburg/Bohmte - 18.7.1931 MS); Jenny ∞ Abt (24.5.1877 Lemgo - KZ Auschwitz); Emil (1.5.1879 Lemgo - 7.11.1942 Ghetto Litzmannstadt/Lodz); Fritz-Siegfried (12.7.1881 Lemgo - ca. 1950 Israel); Greta ∞ Bach (?), Bad Oeynhausen, (KZ verschollen)
Kaufmann. Jüngstes der sieben Kinder eines Kaufmanns. War von Oktober 1910 bis zum Dezember 1912 und von Dezember 1918 bis Januar 1920 zur Ausbildung in MS. Als Soldat nahm er am 1. WK teil. Er war 1921 in Düsseldorf, danach in Bielefeld tätig. War seit 1924 Prokurist der Fa. "L.M. Alsberg", Volkmarsen, der Firma seines verstorbenen Schwiegervaters. Seit dem 30.6.1926 wohnte er mit seiner Familie in MS, Altumstr. 1, dann Bahnhofstr. 32, ab 6.9.1938 Hermannstr. 44. Er war Inhaber einer Hausschuhfabrik, die in der Strafanstalt MS betrieben wurde. Zum 1.1.1934 kündigte ihm das Strafvollzugsamt Hamm den Vertrag. Die Zwangssübergabe erfolgte an Fritz Köchling unter Beibehaltung des Firmennamens und unter stiller Teilhaberschaft von Rudolf U.. Als Weltkriegsteilnehmer wurde ihm am 10.4.1934 das "Ehrenkreuz für Frontkämpfer" verliehen. 1937 unternahm er zwecks Prüfung und Vorbereitung einer späteren Auswanderung eine Informationsreise nach Palästina. Da bereits mehrere Verwandte dort ansässig geworden waren, wurde vermutet, daß auch er nach Palästina emigrieren wollte. Daher erfolgte am 20.7.1937 die Sperrung seines Vermögens zur Sicherstellung der Reichsfluchtsteuer und der Entzug der Pässe. Er legte ohne Erfolg Beschwerde ein. Der Gesellschafteranteil an der Hausschuhfabrik wurde gegen einen monatlichen Freibetrag von 400 RM verkauft. Am 2.2.1938 beantragte er bei der Auswandererberatungsstelle die Freigabe von 1.000 Palästina-Pfund und zusätzlichen 24.000 RM, um für sich und seine Kinder eine geeignete Existenz entweder in einer landwirtschaftlichen Genossenschaftssiedlung oder mit einem kaufmännischen Unternehmen aufzubauen. Der Versuch, zusammen mit den Kindern zu emigrieren, scheiterte. Im Novemberpogrom entstand ein Schaden von 150 RM in seiner Wohnung. Danach erkrankte er an Hepatitis und mußte vier Monate das Bett hüten. Von März bis Mitte April 1939 lag er im Clemenshospital. Das Umzugsgut wurde zur Jahreswende 1939/40 gegen die Zahlung der Ausfuhrförderungsabgabe genehmigt, erreichte ihn jedoch nicht. Am 10.9.1940 (20.8.1940) meldete er sich mit seiner Frau nach Preßburg ab. Mit Zustimmung der deutschen Behörden waren dort drei Frachtschiffe von der "Jewish Agency" angeheuert worden, die nach zermürbender Fahrt im November 1940 vor Haifa ankamen. Dort wollte die englische Mandatsregierung die jüd. Passagiere mit dem Schiff "Patria" zur Insel Mauritius weiterbefördern. Dies wurde von der jüd. Untergrundorganisation "Haganah" durch eine Sprengung vereitelt, bei der 267 Tote zu beklagen waren. Vom sinkenden Schiff konnte sich Rudolf U. schwimmend an Land retten, seine Frau wurde von Hilfskräften aus dem Schiff gezogen und an Land gebracht. Danach wurde das Ehepaar im Lager Atlit südlich von Haifa für zehn Monate interniert. Rudolf U. war in Palästina, später Israel, als Chauffeur, Taxifahrer und Buchhalter tätig. Er kam 1952 erstmals nach Deutschland zurück und pendelte seitdem halbjährlich zwischen Israel und Deutschland.
∞ 1920 Düsseldorf
EHEFRAU
Alice geb. Alsberg
24.3.1901 Volkmarsen/Kassel - 9.4.1960 Gütersloh
... [siehe Textzitat oben] ...
KINDER
Hanna
* 21.8.1921 Düsseldorf, lebte 1995 in Israel
Sie kam als Fünfjährige nach MS und wohnte Altumstr. 1. Sie war zunächst Schülerin der jüd. Volksschule, dann seit Ostern 1932 der Annette-Schule. Sie war mathematisch begabt. Gehörte der zionistischen Jugendbewegung an. Die überraschende Auswanderungsmöglichkeit, die sich im März 1936 für sie und Grete Kaufmann ergab, wurde offensichtlich von beiden Elternpaaren wegen des jugendlichen Alters noch hinausgezögert. Sie blieb daher bis Ostern 1937 weiter im Gymnasium, beendete die Obertertia und besuchte anschließend die Haushaltungsschule des jüd. Erholungsheimes Lehnitz bei Berlin gegen monatliche Unterhaltskosten von 85 - 90 RM. Am 7.10.1937 erhielt sie eine verbindliche Zusage zur Emigration auf "Kapitalistenzertifikat" (d.h. gegen ein Vorzeigegeld von 1.000 Palästina-Pfund). Die Ausreise erfolgte im März 1938 über Triest nach Haifa zusammen mit Grete Kaufmann. Sie lebte im Kibbuz Ashdod Jaakov in der Nähe von Massada am Nordrand des Toten Meeres. Im israelischen Unabhängigkeitskrieg wurden die Kibbuzbewohner wegen der arabischen Angriffe von dort mit Kleinflugzeugen u.a. durch Ernst Rappoport in den Norden Israels evakuiert. Seitdem lebte sie in einem Kibbuz an der libanesischen Grenze. 1995 war sie verwitwet und hatte zwei Töchter.
Walter
* 31.12.1922 Bielefeld, lebte 1995 in Israel
Er lebte seit Mitte 1926 mit den Eltern in MS. Bis zum 13. Lebensjahr sang er im Synagogenchor bei Kantor Daniel Holzapfel. Von Ostern 1933 bis Ostern 1938 war er Schüler des Städt. Gymnasiums, bis ihm ein weiterer Besuch verboten wurde. Er war Mitglied in einer zionistischen Jugendgruppe. Zur handwerklichen Vorbereitung der Auswanderung nach Palästina ("Hachscharah") begann er eine Schlosservorlehre in Dortmund bis ca. September 1938. Anschließend verbrachte er einen Monat in Berlin. Er erlebte den Pogrom und die Beschädigung der Wohnung in MS, Hermannstr. 44, von einem Versteck aus. Danach wurde er von den Eltern zwei Wochen bei Henny Waldeck untergebracht, da die Eltern eine Wiederholung der Ereignisse befürchteten. Zur Überbrückung der Wartezeit auf das Einwanderungszertifikat nahm er die Arbeit in der Dortmunder Schlosserei wieder auf. Seit dem 1.3. 1939 befand er sich auf dem Lehrgut Ahrensdorf/Kr. Luckenwalde in der Landwirtschaft, kehrte von dort am 5.7.1939 nach MS zurück, da sich plötzlich die Gelegenheit bot, mit einer Gruppe Jugendlicher nach Palästina zu gelangen. Die Abfahrt erfolgte am 24.7.1939. Christl. Freunde halfen bei den Emigrationsvorbereitungen. Er arbeitete zwölf Jahre im Kibbuz u.a. in der Nähe von Massada, in Quar Maccabi bei Haifa und Givor Said bei Tivon. Er war vor allem als Installateur beim Brunnenbau beschäftigt. 1960 wurde er Student an der Ingenieurschule (heute TH) in Haifa. Er lebte 1995 bei Haifa; aus seiner Ehe gingen ein Sohn und zwei Töchter hervor.