L36 | Neumark, Samson | 19.06.1859 - 07.01.1931 |
Samson Neumark
19. Juni 1859 7. Januar 1931
aus: Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 – 1945. Teil I Biographisches Lexikon, Münster ²2001
S. 321-324
NEUMARK
Samson
19.6.1859 Emden - 7.1.1931 MS
E: Joseph Neumark (* Emden) u. Bertha geb. Schönberg
Kaufmann. Wuchs in einer jüd.-orthodoxen Familie in Emden auf. Besuchte bis zum "Einjährigen" das Gymnasium und trat dann in den väterlichen Betrieb ein. Nach der Heirat 1891 blieb er noch ein weiteres Jahr in Emden und siedelte dann nach Hannover über, wo er ein Getreidegeschäft eröffnete. Von dort zog er am 13.4.1899 nach MS und wohnte Königsstr. 22/23 sowie Herwarthstr. 14 (1900). Er trat im Oktober 1900 als persönlich haftender Gesellschafter in die Getreidehandlung Karl Zeiller, Königsstr. 22/23, ein. Samson N. war nachweislich von 1908 bis mindestens 1929 Vorstandsmitglied der jüd. Kultusgemeinde und fungierte als deren Finanzberater. Außerdem gehörte er seit 1913 als Nachfolger von Justizrat Bernhard Hertz dem Kuratorium der Marks-Haindorf-Stiftung an. Ende der 1920er Jahre geriet die Firma durch die Einfuhr von Gerste, die sich als unverträglich für die hiesige Schweinemast herausstellte, in finanzielle Schwierigkeiten, die u.a. Anlaß für den späteren Freitod seines Partner Karl Zeiller waren. Samson N. verstarb mit 71 Jahren an einer Lungenentzündung und wurde auf dem jüd. Friedhof in MS begraben.
∞ 30.8.1891 Krefeld
EHEFRAU
Emilie (Milli) geb. David
14.2.1868 Krefeld - 25.12.1960 USA
E: Jacob David, Kaufmann, u. Sara geb. Jourdan (* ca. 1832)
Wuchs in Krefeld auf und hatte mehr als zehn Geschwister, von denen einige bereits als Säugling verstarben. Ihr Vater war Inhaber eines Textil-Seidengeschäftes. Sie erhielt in Krefeld eine grundlegende musikalische Ausbildung. Lebte nach ihrer Heirat 1891 ein Jahr in Emden, der Heimatstadt ihres Mannes. Danach war sie in Hannover ansässig, wo ihre Tochter geboren wurde, und kam 1899 nach MS. Seit ca. 1901 war sie Mitglied des "Israelitischen Frauenvereins" in MS, 1928 wurde der Verein unter ihrer Adresse aufgeführt. Sie sang im Chor des Musikvereins, sprang in Notfällen als Solistin ein und wurde Ehren-Mitglied. Außerdem sang sie im Synagogenchor, wo sie an Feiertagen Solo-Darbietungen brachte. Im 1. WK wirkte sie in Wohltätigkeitskonzerten mit. In ihrem gastfreien Haus trafen sich zu geselliger Runde Künstler, Dirigenten, Schauspieler, Maler und Universitätsprofessoren. Im Juli 1933, nachdem ihr Sohn verzogen und ihr Schwiegersohn zur Flucht aus Deutschland gezwungen worden war, wohnte sie bei ihrer Tochter Marie Rosenthal in Duisburg. Sie emigrierte mit dieser und zwei Enkelkindern 1934 nach Belgien, dann nach Frankreich, wo sie in verschiedenen Quartieren die NS-Zeit überstand. Nach Ende des 2. WK wanderte sie in die USA aus und verstarb 92jährig. Da sich der ehemalige Münsteraner Rabbiner Dr. L. Fritz Steinthal zum Zeitpunkt ihres Todes gerade zu Besuch in den USA bei seiner Tochter aufhielt, konnte dieser die Trauerfeier leiten.
KINDER
Marie
30.1.1897 Hannover - 7.9.1953 USA
Kindergärtnerin. Kam als Kleinkind am 13.4.1899 mit den Eltern von Hannover nach MS. Sie war Schülerin der Volksschule und besuchte bis zum Lyzeumabschluß 1913 zusammmen mit Else Stern und Else Feibes die Ev. Höhere Töchterschule. Anschließend verbrachte sie ein Jahr auf Schloss Rallingen bei Thun/Schweiz. Es folgte eine Ausbildung in Frankfurt/M. (Frauenschule) und Berlin. Dort erhielt sie zusammen mit Else Feibes 1915/16 eine sozialpädagogische Ausbildung im Pestalozzi-Froebel-Haus. Sie heiratete am 13.1.1917 in MS den Rechtsanwalt Dr. jur. Richard Rosenthal (* 20.9.1886 Duisburg), mit dem sie nach seiner Rückkehr aus dem 1. WK nach Duisburg verzog. Während des Krieges wurde ihr erstes Kind Kurt Lutz am 22.10.1917 noch in MS geboren, die beiden nächsten Bertha Beatrice (* 25.9.1920) und Gerd (* 14.5.1923) in Duisburg. Am 29.3.1933 wurde ihr Ehemann, der seine Abneigung gegenüber den Nationalsozialisten nicht verbarg, wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD in "Schutzhaft" genommen und mußte auf Druck der Nationalsozialisten Duisburg innerhalb von vier Wochen verlassen. Er emigrierte am 31.7.1933 nach Antwerpen, wohin Marie R. ihm im Frühjahr 1934 folgte. Dort fand er Arbeit als Reisender in chemischen Produkten für die Schuhindustrie. Mit der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen 1940 wurde Antwerpen zur militärischen Zone erklärt, in der Juden nicht wohnen durften. Sie erhielten die Genehmigung, nach Brüssel überzusiedeln und mußten sich zunächst wöchentlich, dann alle 14 Tage bei der Fremdenpolizei melden. Ihr Sohn Lutz, der 1935 in die USA emigriert war, und ihr Bruder Rudi erwirkten 1941 für die fünfköpfige Familie (mit ihrer Mutter) Visa für die USA. Mit finanzieller Unterstützung einer belgisch-deutschen Familie fuhren sie nach Frankreich, überschritten mit Hilfe eines Fluchthelfers illegal die Demarkationslinie zwischen dem besetzten und unbesetzten Frankreich und konnten im Dezember 1941 in Lyon ihre amerikanischen Visa in die Pässe eintragen lassen. Fünf Tage später, nach dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbour und dem Kriegseintritt Amerikas, wurden ihre Visa für ungültig erklärt. Sie waren staatenlos, jedoch wurden sie als ehemalige Deutsche von den amerikanischen Behörden als "feindliche Ausländer" angesehen. Da sie nicht nach Belgien zurückkehren konnten, blieben sie zunächst in Lyon "in einem Floh- und Wanzenhotel". Eines Nachts wurden sie zum Verhör in ein Militärfort gebracht, das sie nach Vorweisen der von den Franzosen nicht als wertlos erkannten amerikanischen Visa wieder verlassen durften. Über einen amerikanischen Mennoniten erhielten sie von ihrem Bruder Rudi monatlich zehn Dollar Unterstützung. Die Tochter Beatrice lernte so ihren späteren Ehemann, der dem mennonitischen Hilfskomitee angehörte, kennen und heiratete ihn am 11.11.1942. An diesem Tag nahmen deutsche Truppen auch den unbesetzten Teil Frankreichs ein. Auf der Flucht vor den NS-Verfolgern gelangte Marie R. mit ihrer Familie ins Département Ariège (nördlich von Andorra), wo ihnen im Dorf Prades ein leerstehendes Postgebäude (ohne Licht und Wasser) zugewiesen wurde. Die Tochter Beatrice wurde in Lyon festgenommen und als nunmehrige "Amerikanerin" mit ihrem Ehemann und den amerikanischen Diplomaten in Baden-Baden unter Gestapo-Bewachung interniert. Als die Gestapo in Prades nach (zwangs)arbeitsfähigen Männern suchte, wechselte Marie R. aus Angst vor einer Verschleppung des 20jährigen Sohnes Gerd mit ihrer Familie den Wohnsitz. Sie überstanden auf einem Weingut in der Nähe von Bordeaux die weitere NS-Zeit. Ihr Sohn meldete sich dort zur "Forces Françaises de l´Intérieur". Nach Ende des 2. WK erhielt die Familie ein neues Visum für die USA und gelangte 1945 dorthin. Marie R. belegte einen Krankenpflegekurs und war danach in der häuslichen Pflege von Wöchnerinnen, im Altersheim und als Krankenschwester im Bethel-Diakonissenhaus in Kansas tätig. Sie verstarb im Alter von 56 Jahren an Leukämie, Richard R. verstarb vier Jahre später, am 1.7.1957.
Rudolf (Rudi, Ralph Newmark)
* 30.11.1907 MS, lebte 1995 in den USA
Kaufmann, Reisender. Besuchte die ev. Volksschule, dann bis zur Obersekunda das Städt. Gymnasium und Realgymnasium. Absolvierte einen "Abiturientenkurs" an der Höheren Handelsschule und machte eine Lehre im "Bankhaus Enters", MS. Danach folgte eine zweijährige Ausbildung in der Getreidebranche in Rotterdam und Antwerpen, wohin Geschäftsbeziehungen bestanden. Kehrte um 1929 in das väterliche Getreidegeschäft zurück. Engagierte sich 1931 für die Gründung eines Angestellten-Ausschusses der C.V.-Ortsgruppe MS. Nach dem Tod des Vaters 1931 und dem Freitod des Geschäftspartners Karl Zeiller 1932 war Rudi N. Alleininhaber der Firma. Angesichts der offenen Gewaltanwendung und Freiheitsberaubung, die er in seiner Familie erlebte, emigrierte er im Sommer 1933 nach Antwerpen. Anschließend hielt er sich für ca. ein Jahr in den Niederlanden auf, wo er bei einer befreundeten Familie unterkam und als Vertreter für deutsche Maschinenfabriken tätig war. Über Belgien, wo er bei Verwandten mit Mutter und Schwester zusammentraf, emigrierte er Ende 1934 mit einem "Affidavit" eines Onkels mütterlicherseits in die USA. Dort fand er zunächst eine Tätigkeit bei einer kleinen Bank, später in einer großen Firma an der Wallstreet. 1938 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Er war Soldat in der amerikanischen Armee. Nach dem 2. WK war er "wine-consultant" und wurde aufgrund seiner Sprachkenntnisse - er beherrschte fünf Sprachen fließend - im internationalen Handel eingesetzt. Im Jahre 1946 heiratete er in New York die aus Ungarn stammende Ilona Bak (* 21.4.1908), die vor dem Krieg nach London geflohen war und in New York ein Modeatelier unterhielt. Sie verstarb im Dezember 1986. Rudi N. bewahrte seine Musikbegeisterung, die sein Elternhaus geprägt hatte, bis ins hohe Alter.
aus: Korrigenda- und Ergänzungsliste zum Biographischen Lexikon, August 2001
S. 12
NEUMARK
Samson
Am 17.5.1907 wurde er von der jüd. Gemeindevertretung in MS in die Beerdigungs-Commission gewählt.
KINDER (u. a.)
Rudolf (Rudi, Ralph Newmark)
30.11.1907 MS - 20.11.1998 USA